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Rana Husseini: engagiert für Frauenrechte

Copyright Bild: Eddie Adams/ RFKennedy Europe Stiftung

Die mehrfach ausgezeichnete jordanische Journalistin, Frauenrechtsaktivistin und Basketball-Nationalspielerin Rana Husseini wurde 1967 in Amman geboren und stammt aus einer palästinensischen Familie. Diskriminierung per Gesetz und frauenfeindliche Einstellungen sind in Jordanien nach wie vor verbreitet und begünstigen Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Rana Husseini beschäftigt sich seit Anfang der 1990er Jahre als Gerichtsreporterin der »Jordan Times« und als Aktivistin mit dem Thema. Sie spricht mit uns im Interview über falsche kulturelle Maßstäbe und ihre Hoffnung, dass sich die Geschlechterrollen verändern.

Frau Husseini, Sie arbeiten seit 1993 für die »Jordan Times« als Gerichtsreporterin und haben über zahlreiche Fälle von Gewalt gegen Frauen berichtet. Wie weit verbreitet ist häusliche Gewalt in Jordanien? Wie arbeitet ihr?
Wir haben keine verlässliche Statistik. Weltweit erleben laut UN-Angaben ein Drittel aller Frauen häusliche Gewalt. Für unsere Region prognostizieren Soziologen, dass die Gewalt gegen Frauen erst ansteigt, bevor sie abnimmt. Das liegt an den veränderten Geschlechterrollen. Heute sind in Jordanien viel mehr Frauen im Beruf mit Männern zusammen oder verbringen ihre Freizeit außerhalb des Hauses. Es dauert, bis sich unsere Gesellschaft daran gewöhnt haben wird.

2017 hat die jordanische Regierung nach jahrelangen Debatten und Protesten von Frauenrechtlerinnen den Artikel 308 des Strafgesetzbuchs gestrichen. Dieser besagte, dass Sexualstraftäter straffrei ausgehen, wenn sie ihr Opfer heiraten. Warum war es so schwierig, das zu ändern?
Das Gesetz war bereits in Teilen geändert worden, allerdings sollte der einschlägige Paragraph weiterhin für Opfer zwischen 15 und 18 Jahren gelten, sofern das Opfer in eine Ehe einwilligte. Diese Bestimmung sollte das Opfer vor der eigenen Familie schützen, argumentierte die Regierung. Das war eine Ausrede. Es war richtig, den Paragraphen ersatzlos zu streichen. Das ist auf jeden Fall ein Fortschritt für Frauen, denn die Täter müssen bestraft werden.

Warum muss man Opfer sexueller Gewalt vor der eigenen Familie schützen?
Bei uns werden Frauen immer für die Ehre und den Ruf einer Familie verantwortlich gemacht. Wenn eine Frau etwas mutmaßlich Verwerfliches tut oder Opfer sexueller Gewalt wird, soll sie sterben, um die Familienehre wiederherzustellen. Frauen werden auch schnell zu Opfern von Gerüchten, Argwohn, Inzest oder Erbstreitigkeiten. Oder sie verlassen die Familie, weil sie Gewalt erfahren haben. Dann kann die Gewalt eskalieren. Es gibt leider eine Tendenz, immer den Frauen die Schuld zuzuschieben.

Was wird getan, um Frauen besser vor häuslicher Gewalt zu schützen?
Nach langem Drängen von Frauenorganisationen wurden 2005 zwei Schutzhäuser eingerichtet, ein staatliches und eines von der Jordanian Women’s Union (JWU). Ursprünglich waren sie für missbrauchte Kinder gedacht, aber auch Frauen können hier Schutz suchen. Außerdem richtete die Polizei landesweit »Family Protection Units« ein.

Polizeibeamte, die sich um Frauen in Not kümmern? Wirklich?
Es mag einzelne Polizisten geben, die immer noch meinen, die Frauen seien selbst schuld. Aber insgesamt funktionieren die Family Protection Units. Es gibt dort weibliche Polizeibeamte, die bei Vergewaltigungen Beweise aufnehmen. Die JWU hat außerdem eine Hotline für Frauen in Not eingerichtet. Die Sozialarbeiterinnen der JWU verfolgen jeden Fall. Sie machen auch Hausbesuche, wenn eine Frau Angst hat, das Haus zu verlassen. Neu ist eine Einrichtung für die Opfer von Menschenhandel und Prostitution. Auch das ist ein großes Thema.

Immer noch werden in Jordanien pro Jahr 30 Frauen wegen der Familienehre getötet. Warum?
Meist ist es die Umgebung, die den Täter drängt. Familien haben Angst, dass andere auf sie herabschauen oder sie zu Außenseitern werden. Häufig werden dann Minderjährige dazu gedrängt, die Tat auszuführen, weil sie vor Gericht eher straffrei ausgehen.

Haben Sie als Gerichtsreporterin auch Täter interviewt?
Ja. Manche bereuten ihre Tat, aber sie sagten auch, sie würden es wieder tun. Auf meine Frage hin räumte ein Täter ein, dass der Islam das Töten verbiete. Er sagte: »Ich weiß das, aber die Kultur ist stärker.«

Ist es also mehr eine Frage der Kultur als der Religion?
Als Reporterin habe ich auch über vier oder fünf Fälle aus christlichen Familien in Jordanien berichtet, die Frauen angeblich wegen der Ehre ermordet haben. Es geht nicht um den Islam, sondern um das Patriarchat.

Interview: Claudia Mende

Aus unserem SympathieMagazin Jordanien verstehen

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