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Menschenrechte selbstverständlich?

Copyright Bild: menschenrechteundfotografie.wordpress.com

Was wäre unsere Gesellschaft ohne Menschenrechte, die wir ganz selbstverständlich Tag für Tag nutzen? Wir sind daran gewöhnt, uns friedlich zu versammeln, unsere Meinung frei zu sagen, Kunstfreiheit zu genießen. Viel zu selten werden wir uns im Alltag gewahr, wie grundlegend die Menschenrechte für eine offene Gesellschaft und einen demokratischen Rechtsstaat sind. So gilt es immer wieder, den Blick dafür zu schärfen, wie wichtig und zugleich verletzlich die Menschenrechte sind. Unsere Erfahrungen mit dem NS-Regime und der DDR-Diktatur sollten uns in Deutschland Mahnung genug dafür sein, dass die Achtung der Menschenrechte nicht selbstverständlich ist. Greifbar werden Menschenrechte aber auch dann, wenn wir Menschen begegnen, deren Leben nicht frei von Furcht und Not ist, wie es in der Präambel der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« heißt. Das können Menschen unter uns sein – oder auch Menschen, die neu zu uns kommen, oder denen wir auf Reisen in anderen Ländern begegnen. Genaues Hinsehen hilft, Perspektiven zu wechseln und kleines wie großes Unrecht zu erkennen.

Wer etwas bewirken will, der muss aber auch handeln. Das fängt schon im Alltag an, beim respektvollen Umgang mit Fremden oder etwa beim Kauf fair gehandelter Kleidung. Wirksam ist menschenrechtliches Engagement aber vor allem dann, wenn wir uns gemeinsam mit anderen dafür einsetzen, dass die Menschenrechte geachtet, geschützt und bestmöglich umgesetzt werden. Das kann die spontane Teilnahme an Kundgebungen, Protesten und Onlinepetitionen sein. Das kann aber auch das dauerhafte Mitwirken in lokalen Initiativen sein oder die Mitgliedschaft in einer der vielen Menschenrechtsorganisationen – von Amnesty International über FIAN bis zu Pro Asyl. Viele dieser Organisationen werden von ehrenamtlichem Engagement und Spenden mitgetragen. Sie dokumentieren Menschenrechtsverletzungen, unterstützen Betroffene, stärken das gesellschaftliche Bewusstsein für Menschenrechte und versuchen, die großen Räder der Politik zu bewegen.

Diesem Zweck dienen gerade auch öffentliche Proteste und Kampagnen: »Schaust Du hin?«, lautet beispielsweise eine Kampagne von Terre des Femmes gegen Gewalt an Mädchen und Frauen. Der Deutsche Frauenrat demonstriert am »Equal Pay Day« für gleichen Lohn für Männer und Frauen. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland startet eine Gleichstellungskampagne »Keine halben Sachen«. Alarmiert von rassistischer Gewalt und Hetze erfolgt ein Aufruf von Pro Asyl: »Gemeinsam gegen Rassismus«. Die Humanistische Union kritisiert staatliche Eingriffe in den Datenschutz und ausufernde Überwachung. Nicht alle Menschenrechtsarbeit erfährt indes große öffentliche Aufmerksamkeit. Oft kaum beachtet von den Medien, versuchen Menschenrechtsorganisationen auch, gezielt Einfluss auf Regierung und Parlament zu nehmen, nicht zuletzt auf die Gesetzgebung. Auch nutzen sie die Institutionen und Verfahren des internationalen Menschenrechtsschutzes, etwa des Europarates und der Vereinten Nationen, indem sie Informationen liefern, kritische Berichte erstellen oder Beschwerden von Betroffenen unterstützen. Dies alles erfolgt mit dem Ziel, dass die Menschenrechte besser geachtet und umgesetzt werden.

Die allermeisten Forderungen richten sich an die Staaten, denn diese tragen, völkerrechtlich gesehen, die Hauptverantwortung für die Menschenrechte in ihrem Hoheitsgebiet. Die menschenrechtliche Verpflichtung reicht aber auch über die Landesgrenzen hinaus. Das bundesweite Netzwerk »Forum Menschenrechte« setzt sich daher im Gespräch mit der Bundesregierung für eine Stärkung der Menschenrechte in der Außenpolitik ein, kritisiert Flüchtlingsabkommen mit Staaten, in denen die Rechte geflohener Menschen massiv verletzt werden, und fordert, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten deutscher Unternehmen, die im Ausland Geschäfte tätigen, verbindlich zu regeln. Da sich wirtschaftliches Handeln ganz erheblich auf die Menschenrechte in anderen Ländern auswirken kann, gewinnen Bemühungen um eine stärkere nationale und internationale Regulierung von Unternehmen an Bedeutung. Ebenso wichtig ist eine stärkere menschenrechtliche Bindung internationaler Organisationen, wie etwa der Weltbank, die im Begriff ist, ihre Umwelt- und Sozialstandards in der Praxis zu verwässern.

Zugegeben: Große Räder lassen sich nur mühsam drehen. Aber es ist nötig, denn die bestehenden Probleme sind gewaltig. So scheint in jüngster Zeit die Welt geradezu aus den Fugen geraten zu sein: Die Kriege in Syrien und anderswo schaffen unendliches menschliches Leid und treiben Abermillionen Menschen in die Flucht. Zugleich gewinnen Staaten wie China und Russland, deren Regierungen bislang wenig auf die Menschenrechte geben, an weltpolitischem Einfluss, und autoritäre Herrschaftspraktiken auf Kosten der Menschenrechte, wie etwa in Ägypten, Äthiopien oder in der Türkei, sind auf dem Vormarsch.

Ferner erleben wir eine entfesselte wirtschaftliche Globalisierung, die unzählige »Globalisierungsverlierer« hervorbringt, deren soziale Menschenrechte bedroht sind. Sie geht einher mit menschlich mitverursachten Klima- und Umweltveränderungen, aus denen weitere Konflikte und neues Leid entstehen. Betroffen sind nicht nur heutige, sondern auch künftige Generationen. Deren »Rechte« sind im bisherigen internationalen Menschenrechtsschutz noch nicht hinreichend erfasst.

So sind nicht nur die bestehenden Menschenrechte immer wieder aufs Neue zu verteidigen. Der Menschenrechtsschutz muss weiterentwickelt werden. Dies gilt umso mehr, als die technische Entwicklung, etwa in der Medizin oder der digitalen Kommunikation, rasch voranschreitet und menschenrechtliche Probleme aufwirft, etwa hinsichtlich der Autonomie von Patienten oder des Schutzes der Privatsphäre. Auch hierzu bedarf es einer gesellschaftspolitischen Debatte, an der wir uns beteiligen können.

Michael Krennerich

Aus unserem SympathieMagazin »Menschenrechte verstehen«

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