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Mehr vom Weniger

Copyright Bild: Andrea Reck

Es war Ramadan und ich zum ersten Mal in Marokko. Unterwegs mit Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln. Unser Ziel war die Wüste. Wir wollten tiefer eintauchen und mit dem Dromedar intensiv erleben, was wir auf früheren Reisen nur vom Jeepfenster aus gesehen hatten. Und so kamen wir nach M’hamid, trafen Brahim und ritten los. Hinein in das Sandmeer. Zwei Dromedare, darauf Martin und ich.

Keine Ahnung, wie ich den ersten Tag überstand. Ich spürte nichts anderes als meine Knochen. Die Sterne am Himmel, der weite Horizont, die Dünen und das sanfte Schaukeln auf dem Dromedar waren mir erst mal egal. Überall war Sand – in den Ohren, in der Nase, im Mund. Ich hatte Muskelkater wie noch nie zuvor und schlief ein, sobald ich vom Dromedar stieg. Am zweiten Tag hatte sich der Körper zwar an das Schaukeln gewöhnt, doch jetzt kamen neue Beschwerden dazu. Mir war heiß. Ständig suchte ich nach der Wasserflasche, den Bonbons, der Sonnenmilch oder dem Fotoapparat. Irgendwann kam ich auf die brillante Idee, das alles in meinem Tagebuch festzuhalten. Also suchte ich nach Stift und Papier, kramte ganz tief unten in der Tasche, dabei fiel die Sonnenbrille vom Kopf, der Stift aus der Tasche und mir der Rucksack fast aus der Hand. Ich hätte heulen können.

Aber stattdessen tat ich etwas anderes. Ich hielt inne und betrachtete meine Umgebung. Das Erste, was ich dann wahrnahm, war, wie Brahim mit Flipflops durch den Sand lief. Er hatte nichts dabei als seine Dschellaba, seinen »Schasch«, sein Tuch, und seine gute Laune. Er aß nichts, er trank nichts (es war ja Ramadan), er sprach auch nicht, sondern machte mit einem freundlichen Lächeln seine Arbeit. Wenn die Sonne unterging, betete er, aß ein paar Datteln und gab auch uns welche ab. Dann kochte er still das Essen. Und ich begriff, dass er vollkommen in sich ruhte, dass er in vielem freier war als wir. Er suchte nicht den ganzen Tag nach diesem und jenem. Er brauchte keinen Fotoapparat und kein Tagebuch. Er konnte alles so in sich aufnehmen, und man sah ihm an: Er war zufrieden.

Wir schwiegen zu dritt. Jeder auf seine Weise. Aber innerlich war ich aufgewühlt. Ich wollte mehr – mehr vom Weniger. Ich spürte in diesem Moment, dass mich mein Weg zurück nach Marokko bringen würde, zurück in die Wüste, zu diesen Menschen, die bei so wenig formeller Bildung doch so viel wertvolles Wissen in sich tragen.

Muriel Brunswig-Ibrahim

Waren es vor 50 Jahren vor allem noch abenteuerlustige Individualreisende, die Urlaub in Marokko machten, ist inzwischen auch ein bunter Mix aus Bade-, Bildungs-, Outdoor- und All-inclusive-Touristen vertreten. 2016 betrugen die Einnahmen aus dem Tourismus rund 7,8 % des BIP. Im Zuge dieser Entwicklung entstanden auch sozial- und umweltverantwortliche Tourismusprojekte in Marokko, wie die »Societé Renard Bleu Touareg«. www.renard-bleu-touareg.org
Die Erlöse aus dem von Tuareg angebotenen Karawanentrekking kommen hauptsächlich den Nomadenvölkern zugute. Mit dem Geld werden Schulen, Krankenstationen und Brunnen für die Region finanziert. Das Projekt wurde mit dem TO DO!-Preis 2002 für sozialverantwortlichen Tourismus des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung e.V. ausgezeichnet. www.to-do-contest.org

 

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