Gigantisch

Leseprobe aus unserem SympathieMagazin »Italien verstehen«

Hellblau leuchtet der Himmel, vom Ligurischen Meer weht eine Brise. An diesem Wintertag liegt dazu gespannte Erwartung in der Luft. Die toskanische Stadt Viareggio feiert Karneval – mit Musik, Paraden und den größten Pappmascheefiguren der Welt.

In 16 Werkstätten sind seit dem Herbst die bis zu 18 Meter hohen Wagen gefertigt worden, jetzt steht ihr großer Auftritt bevor. Vor dem Gelände haben sich Gruppen Ungeduldiger versammelt, die den allerersten Blick erhaschen wollen. Jeden Wagen, der auf die Straße rollt, begrüßen sie mit Jubel. Fabelwesen, Geister, riesenhafte Abbilder von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Sport erheben sich auf ihnen. Dank ausgeklügelter Mechanik bewegen sie sich sogar. »Ich weiß ja, wie eindrucksvoll die Parade jedes Jahr ist«, sagt Alessandra delle Save von der Stiftung, die den Karneval der 61.000-Einwohner-Stadt organisiert. »Aber jedes Mal, wenn ich sehe, was die Künstler geschaffen haben, bin ich sprachlos.«

Gegen Ende der Badesaison hat die Arbeit in den Werkstätten begonnen. Die Entwürfe wurden schon im August als Skizzen und Modelle einer Jury vorgelegt, die die kunstvollsten auswählt. »Für eine große Figur brauchen wir mehrere Tonnen Papier«, sagt Carlo Lombardi, der seit 25 Jahren Karnevalswagen gestaltet und seit drei Jahren von Sohn Lorenzo unterstützt wird. »Duft der Rosen in den Dornen«, heißt ihr Wagen in diesem Jahr. »Hintergrund sind die Schließungen psychiatrischer Krankenhäuser«, erklärt Carlo. Ein blaues Pferd symbolisiert den Protest gegen diese Entscheidung, Rosen stehen für den Wunsch, im Negativen etwas Positives zu sehen. Ereignisse aus Politik und Zeitgeschehen sind beliebte Themen: So schmückte etwa ein von Plastikmüll übersäter Wal einen Wagen, ein Teil der Mitglieder des Parlaments in Originalgröße einen anderen. Bis zur ersten Parade werden die Details der Wagen gehütet wie Staatsgeheimnisse. Fest steht nur, dass auf den größten bis zu 200 Kostümierte am Fuß der Figuren singen und tanzen werden. Von Traktoren gezogen, werden sich die gewaltigen Aufbauten dann in Richtung der drei Kilometer langen Promenade bewegen.

Seit 1873 feiert Viareggio seinen Karneval der Giganten. Initiiert wurde er durch den Wunsch von Badegästen aus Lucca, die ihren Ferienort nicht nur im Sommer besuchen wollten. Der Karneval lieferte diesen Anreiz, fortan gab es in Viareggio auch eine Wintersaison. Dank der Mitarbeit der bei den hiesigen Werften beschäftigten Zimmerleute wurden die Wagen schnell sehr aufwendig. Und während den Karneval in Venedig elegante Kostümbälle prägen, findet er hier auf der Straße statt: lautstark und ausgelassen.

Längst ist der Karneval zum Wirtschaftsfaktor geworden. Selbst im noch von der Pandemie geprägten Jahr 2022 kamen 300.000 Menschen in die Stadt, um für 22 Euro Eintritt pro Tag einen der insgesamt sechs Umzüge auf der abgesperrten Küstenstraße zu sehen. Aber nicht nur bei den Umzügen, die an den Wochenenden bis zur Hochphase des Karnevals und am Karnevalsdienstag stattfinden, ist die Stadt voller kostümierter Menschen und Musik. Auf den Straßen spielen Bands, DJs legen auf, die Stadt tanzt in die Nacht.

Die meisten colmados bieten auch Lieferdienste. Eine Aushilfe nimmt per Telefon den Auftrag entgegen und überreicht die Tüte oder den Karton mit der Bestellung dann einem Ausfahrer oder jemandem von einer Lieferdienst-App. Das findet Janet Oliver, Mutter von drei Kindern, besonders praktisch. »Ich habe wenig Zeit, und Einkaufen mit den dreien ist schwierig. Deshalb bestelle ich per Lieferdienst immer die schweren Getränkeflaschen ins Haus.« Auch ältere Menschen nutzen diesen Service gern.

Text & Bild: Stefanie Bisping

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